Sinn oder Sinne

Magie geometrischer Disziplin … das hat was, wie von großen Worten? Es ist die Wirklichkeit in den photographischen Bildern einer Edyta Sz., und als solche findet sich dieses leitende Prinzip in ihrer Arbeit überall wieder. Hier geht es um Wirklichkeit des Bildes, weniger ums Wirkliche vor dem Bild.

Warum also Magie? – Diese Bilder sind für die Sinne. Fürs Auge. Fürs Hinsehen. Fürs genaue ruhige geduldige Anschauen. Fürs Da-Sein also. Magie gewinnen sie, weil tatsächlich sie mich anschauen, unverrückbar, jenseits von Raum und Zeit des Augenblicks ihrer Entstehung, weitgehend frei vom Einfluss erzählerischer Einzelheiten.

Warum Geometrie? – Sogar in vielen ihrer Porträt-Aufnahmen verzichtet Edyta darauf, dem Bild seinen Ausdruck »ausborgen« zu lassen vom suggestiven Blick der porträtierten Person. Sie komponiert neu, ordnet Person und Umgebung in die Fläche ihrer zumeist quadratischen Negative ein. Und durch dieses Geometrie der Fläche versucht sie die Person, künstlerisch stellvertretend, zu charakterisieren.

Und warum Disziplin? – Photographieren geht ja schnell, geht leicht, in jedem beliebigen Moment. Nicht umsonst hat sich das ärgerliche Wort »knipsen« dafür eingebürgert. Geduldiges Hinsehen, abwartendes Vergleichen eines inneren Bildes mit dem realen im Sucher, tastendes Herangehen an den geeigneten Moment, auch gelegentlicher Verzicht aufs Belichten, wenn es denn nicht passen will … dafür hält der photographische Sprachgebrauch keine so griffige Vokabel bereit. Und diese disziplinierte Beharrlichkeit zeichnet Edytas Bilder aus.

Was hat es aber zu bedeuten, dass sie Gruppen zusammenfasst, die sich durch äußere Elemente des Gezeigten verbinden lassen? Fahrräder … Was für Fahrräder? Sind das nicht eigentlich Variationen aufs Thema des einfachen geometrischen Prinzips: Kreis … Dreieck … Quadrat? Kaffeetrinker … Aber wo denn? Da versteckt sie doch eigentlich lieber die Personen und ihre Tätigkeit in den wechselnden Gefügen ihrer »Magischen Quadrate« … Oder?

Was hat Vorrang? Information oder Erlebnis? Form oder Geschichte? Augenblick oder Reflexion? Sinn oder Sinne?

Diese Bilder lösen Fragen aus, zeigen Angebote. Man treffe seine Entscheidung selbst.

 

Matthias Blumhagen